Videonachfahrsysteme: Geschwindigkeitsmessung durch Nachfahren

Infotexte über einzelne Videonachfahrsysteme:

 
Oberlandesgerichte (OLG) haben entschieden: Geschwindigkeitsmessung durch Nachfahren ist legitim, wenn bestimmte Regeln eingehalten werden.
Oberlandesgerichte (OLG) haben entschieden: Geschwindigkeitsmessung durch Nachfahren ist legitim, wenn bestimmte Regeln eingehalten werden.

Die Einhaltung der Geschwindigkeitsbegrenzungen auf öffentlichen Straßen nehmen machne Verkehrsteilnehmer manchmal nicht sehr ernst. Einige Stundenkilometer mehr auf dem Tacho als erlaubt? Kein Problem, merkt ja keiner!

Gerade Motorradfahrer fühlen sich mitunter „sicher“ vor Strafverfolgung, wenn sie mit überhöhter Geschwindigkeit durch die Straßen brettern – schließlich liefern Blitzerfotos nur Bilder von vorne. Der Helm und das nur rückseitige Nummernschild verhindert eine Identifikation von Halter und Fahrer auf diese Weise.

Doch auch wenn kein Blitzer am Straßenrand steht, keine Radaranlage, Lichtschranke oder Induktionschleife Ihre Geschwindigkeit misst: Dass Sie unter Beobachtung stehen, kann trotzdem nicht ausgeschlossen werden. Denn seit Jahren schon kommt eine weitere Technik der Geschwindigkeitsmessung zum Einsatz: auch durch Nachfahren können Polizeibeamte Ihr Tempo ermitteln.

Wie diese Technik funktioniert und welche Fehlerquellen zu Fehlmessungen führen können, legen wir im Folgenden dar.

Wie Geschwindigkeitsmessung durch Nachfahren funktioniert

Soll eine Geschwindigkeitsmessung durch Nachfahren vorgenommen werden, ist mehr als bei anderen Messmethoden das Geschick und die Expertise der Polizeibeamten gefragt. Denn es kommt auf deren eigenes Fahrverhalten an, wie genau die Messung des Tempos der Betroffenen letztlich wird.

Ein Videosystem kann nicht nur eine Geschwindigkeitsmessung durch Nachfahren ermitteln. Auch der Abstand von Nachfahrenden kann dokumentiert werden.
Ein Videosystem kann nicht nur eine Geschwindigkeitsmessung durch Nachfahren ermitteln. Auch der Abstand von Nachfahrenden kann dokumentiert werden.

In einem ersten Schritt wird ein Videonachfahrsystem im Polizeifahrzeug, welches übrigens in der Regel nicht als solches zu erkennen ist, verbaut. Ein Messgerät stellt eine Verbindung zwischen dem Videobild und dem Tachometer des Einsatzfahrzeuges her. Denn für die Messung sind drei Werte von entscheidender Bedeutung:

  1. Der Abstand des Einsatzfahrzeuges zum Fahrzeug des betroffenen Bürgers,
  2. die Geschwindigkeit des Einsatzfahrzeuges selbst und
  3. die Beschaffenheit und Länge der Messstrecke, also des Straßenabschnitts, auf welchem die Messung stattfindet.

Wenn diese Werte bekannt sind, kann die Geschwindigkeitsmessung durch Nachfahren gelingen und relativ genaue Ergebnisse liefern. Dabei kann das Auto der Polizisten


entweder

  • den Abstand zum verfolgten Fahrzeug halten. So kann auf einer festgelegten Messstrecke die Geschwindigkeitsüberschreitung beider Fahrzeuge festgestellt werden. Während die Polizisten diese Überschreitung von Dienst wegen vornehmen müssen, sollte sich der Fahrer des gemessenen Fahrzeuges auf eine Konfrontation mit der Bußgeldstelle gefasst machen.

oder

  • mit gleichbleibender Geschwindigkeit die Verfolgung des verdächtigen Autos oder Motorrades aufnehmen. Dabei wird das Fahrzeug auf einer vorher bestimmten Messstrecke gefilmt. Die Geschwindigkeit lässt sich dann durch die Zeit errechnen, in welcher das Fahrzeug zwei – dem Fahrer nicht bekannte – Messpunkte durchfährt.

Das Videonachfahrsystem zeichnet den gesamten Vorgang auf. Das Videomaterial kann später in einem Bußgeldverfahren als Beweismittel herangezogen werden.

Nach der Ermittlung der Geschwindigkeit können die Polizeibeamten den betroffenen Fahrer direkt zur Rede stellen und mit dem Wissen weiterfahren lassen, dass ihm demnächst ein Bußgeldbescheid ins Haus steht. Oder die Beamten lassen das Fahrzeug ziehen und setzen in Unkenntnis des Fahrers ein Bußgeldverfahren in Gang.

Fehlerquellen von Videonachfahrsystemen

Die Geschwindigkeitsmessung durch Nachfahren kann durch verschiedene Fehlerquellen verfälscht werden. Dabei kommen technische Defekte genauso in Frage wie menschliche Unzulänglichkeiten.

Eichung der Geräte im Einsatzfahrzeug

Da das Tachometer des Polizeiwagens, wie beschrieben, einen wichtigen Wert zur Geschwindigkeitsmessung durch Nachfahren liefert, muss dieses natürlich möglichst genau funktionieren. Sollte der Tacho nur ungenau die tatsächliche Geschwindigkeit des Einsatzfahrzeuges liefern, so ist die ganze Messung unter Umständen unbrauchbar.

Ebenso muss der Zeitmesser des Videonachfahrsystems fehlerfrei funktionieren.

Für sämtliche für die Messung wesentlichen Geräte muss ein gültiger Eichschein vorliegen. Andernfalls können Toleranzen bis zu 20 Prozent der gemessenen Geschwindigkeit von dieser abgezogen werden, wodurch letztlich der ganze Messvorgang in Frage gestellt wird.

Einhaltung von Vorgaben

Je nach Messmethode ist es obligatorisch, dass die Beamten die Vorgaben einhalten, damit die Geschwindigkeitsmessung durch Nachfahren auch als Beweis verwertet werden kann.

Das Polizeifahrzeug muss auf der Messstrecke nicht als solches erkennbar sein. Der Verfolgte kann auch ohne sein Wissen kontrolliert werden.
Das Polizeifahrzeug muss auf der Messstrecke nicht als solches erkennbar sein. Der Verfolgte kann auch ohne sein Wissen kontrolliert werden.
  • Zunächst ist darauf zu achten, dass die Messstrecke nicht zu kurz gewählt wurde. Sie sollte mindestens zwischen 300 und 500 Meter betragen (abhängig von den Geschwindigkeiten, siehe unten). Die vorher gewählten Bezugspunkte müssen dementsprechend stimmen und im Idealfall einen gewissen Spielraum lassen.
  • Wenn ein gleichbleibender Abstand zwischen dem Einsatzwagen und dem zu kontrollierenden Fahrzeug eine Voraussetzung für die korrekte Geschwindigkeitsmessung ist, so muss dieser auch eingehalten werden. Sollte der fahrende Beamte also während der Messung grob vom zuerst gewählten Abstand abweichen, so kann die Messung drastisch an Beweiskraft verlieren.

Doch auch nach dem Messvorgang können Rechenfehler zu einer falschen Einschätzung der gefahrenen Geschwindigkeit führen.

Toleranz von Videonachfahrsystemen

Aufgrund der relativ hohen Anfälligkeit für Messfehler ist die Geschwindigkeitsmessung durch Nachfahren mit einer höheren Toleranz belegt, als Sie es von stationären oder mobilen Blitzern kennen.

Bei vollautomatischen Einrichtungen wird standardmäßig eine Toleranz von 3 km/h eingeräumt, wenn die gefahrene Geschwindigkeit unter 100 km/h liegt. Ab Tempo 100 werden regelmäßig 3 Prozent der gemessenen Geschwindigkeit abgezogen.

Bei Geschwindigkeitsmessungen, die beim Nachfahren entstanden sind, werden regelmäßig 5 km/h bis 10 km/h abgezogen, wenn die gemessene Geschwindigkeit 100 km/h nicht übersteigt. Bei Geschwindigkeiten über 100 km/h werden entsprechend 5 bis 10 Prozent Toleranz gewährt.

Die Toleranzgrenze kann sich jedoch nach oben verschieben, wenn Widrigkeiten vermuten lassen, dass die Messung in Teilen ungenau ist. Wie oben erwähnt, kann es dann zu Abzügen bis zu 20 Prozent kommen, was bei gemessenen 120 km/h bereits 24 km/h ausmacht.

Ob nach Abzug einer solchen Toleranz überhaupt noch ein Tempoverstoß vorliegt, bleibt im Einzelfall zu prüfen.

Diese Voraussetzungen muss eine Geschwindigkeitsmessung durch Nachfahren erfüllen

Für die Geschwindigkeitsmessung durch Nachfahren muss das Tachometer im Polizeifahrzeug geeicht sein.
Für die Geschwindigkeitsmessung durch Nachfahren muss das Tachometer im Polizeifahrzeug geeicht sein.

Um vor Gericht oder in einem Bußgeldverfahren eine Geschwindigkeitsmessung, die beim Nachfahren entstanden ist, verwerten zu können, müssen weitere Voraussetzungen erfüllt sein. In verschiedenen Urteilen haben Oberlandesgerichte (OLG) unter anderem folgende Entscheidungen getroffen. Diese sind neben den Vermeidungen der oben genannten Fehlerquellen:

Die Messstrecke sollte, je nach Geschwindigkeit, folgende Länge betragen:

  • 300 bis 400 Meter bei 50 bis 70 km/h
  • 400 bis 600 Meter bei 70 bis 90 km/h
  • 500 Meter bei 90 bis 120 km/h
  • 1000 Meter ab 120km/h

Die Messstrecke kann sich jedoch verkürzen, wenn durch zu geringen Abstand zum Täterfahrzeug oder zu deutlicher Tempoüberschreitung desselben ein Sicherheitsrisiko entstünde.

Der Abstand zum zu messenden Fahrzeug sollte möglichst gering sein:

  • Maximal 30 Meter bei 40 bis 50 km/h
  • Maximal 50 Meter bei 60 bis 90 km/h
  • Maximal 100 Meter bei 90 bis 120 km/h

Umso länger die Messstrecke ausfällt, desto größer kann der Abstand sein.

Prinzipiell sollte diese Messungsmethode für die Feststellung einer Geschwindigkeitsüberschreitung nur bei deutlichen Tempoverstößen eingesetzt werden. Diese beginnen laut OLG Düsseldorf bei 20 km/h über der erlaubten Geschwindigkeit.

Einspruch gegen eine Geschwindigkeitsmessung durch Nachfahren

Wenn Sie einen Bußgeldbescheid erhalten haben, dessen Grundlage eine Geschwindigkeitsmessung durch Nachfahren ist, so sollten Sie diesen genau prüfen. Zwar steht es Ihnen frei, innerhalb von zwei Wochen nach Erhalt des Bescheides Einspruch dagegen einzulegen. Doch ist es ratsam, dies in Absprache mit einem Anwalt für Verkehrsrecht zu tun. Dieser kann den Bußgeldbescheid prüfen und die Erfolgschancen für einen Einspruch abschätzen

Denn wenn sie Einspruch gegen einen Bußgeldbescheid erheben, führt dies in aller Regel zu einem Gerichtsprozess, dessen Kosten Sie zu tragen haben, wenn Ihnen letztlich doch eine Geschwindigkeitsüberschreitung nachgewiesen werden kann.

FAQ: Geschwindigkeitsmessung durch Nachfahren

Wie funktionieren Videonachfahrsysteme?

Das Messgerät ist fest im Fahrzeug verbaut und mit Kamera und Tacho verbunden. Durch das Nachfahren kann so die Geschwindigkeit des Vorausfahrenden ermittelt werden.

Welche Voraussetzungen müssen bei der Messung per Nachfahren eingehalten werden?

Besonders wichtig, ist, dass je nach Geschwindigkeit die Messstrecke eingehalten werden. Wie lang diese sein muss, können Sie hier herausfinden.

Wie viel Toleranz muss bei Videonachfahrsystemen gewährt werden?

Der Toleranzabzug ist bei der Geschwindigkeitsmessung per Nachfahren großzügiger. Je nach Fall können 5 bis 10 km/h Toleranz gewährt werden.

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Über den Autor

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Vitali U.

Vitali ist seit 2016 Redakteur auf bussgeld-info.de. Seine Karriere begann er nach dem Abschluss seines Studiums der Rechtswissenschaften an einer renommierten Universität in Deutschland. Seitdem hat er sich auf das Thema Verkehrsrecht spezialisiert und sein Wissen durch eine einschlägige Ausbildung vertieft.

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