Wird ein Arzt im Dienst durch ein Schild von den Vorgaben der Straßenverkehrsordnung (StVO) befreit? Diese Frage kommt immer wieder auf, wenn Fahrzeuge beispielsweise in zweiter Reihe parken und hinter der Windschutzscheibe ein Schild mit „Arzt im Dienst“ oder „Arzt Notfall“ als Aufschrift prangt. Haben Hausärzte, die Patienten besuchen, besondere Rechte oder sind sie wie alle anderen verpflichtet, die Vorschriften der StVO zu befolgen?
Was ein „Arzt im Dienst“-Schild im Auto bedeuten kann, betrachtet der nachfolgende Ratgeber näher. Wer diese Schilder ausstellt, warum Ärzte diese mitunter brauchen und was Sie bezüglich der Nutzung beachten sollten, ist ebenfalls Thema des Artikels.
Inhaltsverzeichnis
Was ist rechtlich genau bestimmt?
Grundsätzlich gilt, dass ein „Arzt-Notfall“- oder „Arzt im Dienst“-Schild keinerlei Sonderrechte mit sich bringt. Ärzte dürfen also werden gegen die Geschwindigkeitsvorgaben noch gegen die geltenden Parkregelungen oder andere Verkehrsregeln verstoßen. Ein solches Schild im Fahrzeug schützt sie in der Regel nicht davor, Bußgelder, Punkte oder Fahrverbote zu erhalten, wenn sie die Vorschriften missachten.
Doch warum werden diese Schilder dann von einigen Ärztekammern in Deutschland auf Antrag an Ärzte herausgegeben? Das hat durchaus rechtliche Hintergründe, denn unter bestimmten Umständen kann das „Arzt im Dienst“-Schild ein wichtiger Hinweis für kontrollierende Ordnungshüter sein.
In § 16 Ordnungswidrigkeitengesetz (OWiG) ist beispielsweise definiert, dass in bestimmen Notsituationen ein rechtswidriges Verhalten im Straßenverkehr nicht als solches angesehen wird. Wann das der Fall ist, wird wie folgt bestimmt:
„Wer in einer gegenwärtigen, nicht anders abwendbaren Gefahr für Leben, Leib, Freiheit, Ehre, Eigentum oder ein anderes Rechtsgut eine Handlung begeht, um die Gefahr von sich oder einem anderen abzuwenden, handelt nicht rechtswidrig, […] Dies gilt jedoch nur, soweit die Handlung ein angemessenes Mittel ist, die Gefahr abzuwenden.“
Befindet sich ein Arzt also in einem Notfalleinsatz, kann dies eine Geschwindigkeitsüberschreitung oder das widerrechtliche Parken und Halten rechtfertigen, sofern es sich tatsächlich um einen „rechtfertigenden Notstand“ handelt. Ob das so ist, liegt dann im Ermessen der Beamten bzw. der zuständigen Behörden.
Wer erhält ein „Arzt Notfall“- oder „Arzt im Dienst“-Schild?
Ist ein Arzt regelmäßig mit Notfallsituationen konfrontiert, kann es durchaus sinnvoll sein, ein „Arzt Notfall“- oder ein „Arzt im Dienst“-Schild zu beantragen. In der Regel prüfen die Ärztekammern, ob ein Arzt regelmäßig Notfalleinsätze hat und daher berechtigt ist, ein solches Schild im Fahrzeug anzubringen.
Meist müssen die Antragsteller nachweisen, dass sie im Kassenärztlichen Notfalldienst tätig sind. Ärzte, die lediglich Hausbesuche durchführen oder im Bereitschaftsdienst unterwegs sind, haben hingegen keinen Anspruch auf ein solches Schild. Auch Klinikärzte sind in der Regel nicht berechtigt, einen Antrag zu stellen.
In den Bestimmungen zu § 46 Abs. 1 N. 11 in den Allgemeinen Verwaltungsvorschriften zur Straßenverkehrsordnung (VWStVO) ist festgehalten, welcher Personenkreis eine solche Kennzeichnung für sein Fahrzeug erhalten kann. So ist nachzuweisen, dass ein Antragsteller diese Vorgaben erfüllt.
Um schneller fahren zu können oder für erleichterte Bedingungen beim Parken ist das „Arzt im Dienst“-Schild nicht gedacht und berechtigt dazu auch nicht. Denn, wie erwähnt, beinhaltet das Schild keine Sonderrechte, sondern dient lediglich als Hinweis auf eine Notfallsituation.
Wann Sonderrechte für Ärzte gelten
Die Straßenverkehrsordnung bestimmt in § 35, welche Personen bzw. Einrichtungen unter welchen Bedingungen Sonderrechte erhalten. Ärzte werden hier nicht benannt, sondern nur die Rettungsdienste. Das bedeutet vor allem, dass ein Arzt im Notfalleinsatz mit einem Rettungsdienst unterwegs sein muss, um Sonderrechte anwenden zu können.
Ist das nicht der Fall, sondern sind Ärzte mit eigenen Fahrzeugen oder reinen Dienstwagen im Einsatz, sind Sonderrechte in der Regel ausgeschlossen. Fahrzeuge müssen besonders ausgestattet und im Fahrzeugschein als Rettungsfahrzeuge ausgewiesen sein, damit sie diese Regelungen in Anspruch nehmen dürfen.
Zu den Rechten, die in § 35 StVO bestimmt sind, zählen unter anderem folgende:
- Rote Ampeln überfahren (mit gebotener Vorsicht)
- Geschwindigkeitsbegrenzungen überschreiten
- Entgegen der Fahrrichtung fahren (Einbahnstraße, Gegenverkehr)
- Außerhalb des Straßenbereiches fahren
- Überholen von rechts
- Im Park- und Halteverbot parken
Ärzte, die in Bezug auf das Parken und Halten Sonderregelungen benötigen, müssen dies beantragen. Unter bestimmten Umständen können dann von den zuständigen Behörden Ausnahmegenehmigungen erteilt werden. Das „Arzt im Dienst“-Schild allein stellt keine solche Genehmigung dar. Die zuständigen Verkehrsbehörden können eine Sondererlaubnis beispielsweise beim Parken ausstellen, wenn durchschnittlich mehr als 100 Patientenbesuche im Quartal anfallen.
Erhalten Ärzte diese Sondergenehmigung, dürfen sie ihr Fahrzeug dann auch entgegen der geltenden Halte- und Parkvorschriften in ihrem Betreuungsgebiet abstellen. Allerdings darf auch hier dadurch dann keine Gefährdung anderer Verkehrsteilnehmer entstehen.
Notstandssituation: Welche Möglichkeiten Ärzte hier haben
Wurde ein „Arzt Notfall“- oder ein „Arzt im Dienst“-Schild auf Antrag erteilt, kann dies, wie erwähnt, in bestimmten Situationen einen Verkehrsverstoß rechtfertigen. Hat ein Patient eine akute, schwere Erkrankung, kann ein sogenannter „rechtfertigender Notstand“ vorliegen. Gemäß den Regelungen in § 16 OWiG und unter § 34 Strafgesetzbuch (StGB) kann demnach ein Verstoß gegen die Verkehrsregeln als nicht rechtswidrig gelten.
Ein Arzt muss in dieser Situation entscheiden, ob das Leben bzw. die Gesundheit des Patienten es rechtfertigen, die Verkehrsregeln in bestimmtem Maße zu missachten. Wird bei einer Kontrolle jedoch festgestellt, dass die Missachtung der Vorschriften nicht notwendig war bzw. nicht begründet werden kann, schützt die „Arzt im Dienst“-Tafel nicht vor Sanktionen.
Auch bei einem Verhalten, dass andere Verkehrsteilnehmer gefährdet oder eine Gefährdung anzunehmen ist, kann der Arzt belangt werden. In diesem Fall gilt das Schild dann nicht mehr als Hinweis auf eine Notsituation und bleibt bei der Beurteilung der Sachlage in der Regel unberücksichtigt.
Ebenfalls nicht gerechtfertigt ist ein Verkehrsverstoß durch einen Arzt, wenn der Notstand des Patienten durch andere Maßnahmen hätte gelöst werden können. Kann beispielsweise ein Anruf bei der Polizei oder Rettungsdiensten ebenso helfen, ist eine Ahndung eines Tempoverstoßes, des Überfahrens einer roten Ampel oder des ordnungswidrigen Parkens durchaus im Bereich des Möglichen. Hier wäre die Missachtung nicht begründet.
Ob ein Notstand vorliegt, ist jedoch in der Regel Ermessenssache und eine Einzelfallentscheidung. So kann dieser auch verneint werden, wenn durch eine Geschwindigkeitsüberschreitung keine signifikante Zeitersparnis zum Erreichen des Patienten erreicht wurde oder genügend Parkraum vorhanden war, was ein ordnungswidriges Abstellen nicht nötig machte. Hier ist dann üblicherweise mit Bußgeldern, Punkten oder auch Fahrverboten zu rechnen. Die Höhe der Sanktionen bemisst sich wie bei allen anderen Verkehrsteilnehmern danach, was für ein Verstoß begangen wurde und wie schwerwiegend dieser ist.
Ein „Arzt im Dienst“-Schild dient also wirklich nur unter bestimmten Bedingungen dazu, darauf aufmerksam zu machen, dass sich ein Arzt in einer Notstandssituation befindet. Im Allgemeinen gilt, dass je dringender die Hilfe benötigt wird und je geringer der Verkehrsverstoß ausfällt, als desto gerechtfertigter wird er in der Regel angesehen.
FAQ – „Arzt im Dienst“-Schild
Nein. Ein solches Schild im Fahrzeug erteilt keine Sonderrechte und berechtigt einen Arzt auch nicht dazu, gegen die Vorschriften der StVO zu verstoßen.
Ja, es kann durchaus darauf hinweisen, dass ein Arzt in einer Notstandssituation tätig ist.
Ja, sofern kein berechtigter Notstand vorliegt oder die Situation durch eine andere Vorgehensweise als einem Verkehrsverstoß hätte gelöst werden können, müssen Ärzte mit Sanktionen gemäß dem Bußgeldkatalog rechnen.
Nein. Das Schild wird von der Ärztekammer nur auf Antrag ausgestellt und auch nur dann, wenn der Arzt nachweisen kann, dass er in einem bestimmten Maß regelmäßig mit Notfällen konfrontiert ist. In der Regel ist die Vergabe eine Einzelfallentscheidung.