Zwar besteht seit 1976 in Deutschland die Pflicht, einen Sicherheitsgurt anzulegen, aber immer noch – 50 Jahre später – fahren viele ohne Gurt. Argumente und Ausreden gibt es viele. Doch was ist, wenn Sie einen Unfall verursachen und nicht angeschnallt waren?
Doch passiert ein Unfall, während der Fahrer und die anderen Insassen nicht angeschnallt sind, kann dies verheerende Konsequenzen haben. Denn selbst bei relativ geringen Geschwindigkeiten können sich enorme Kräfte entwickeln und nicht angeschnallte Personen werden ungehindert umhergeschleudert.
Der Auto Club Europa sowie der Deutsche Verkehrssicherheitsrat haben in diesem Zusammenhang erschreckende Zahlen veröffentlicht. Denn jeder fünfte Verkehrstote war 2014 nicht angeschnallt unterwegs.
Doch welche Konsequenzen können Ihnen neben den weitreichenden Verletzungen noch drohen, wenn Sie nicht angeschnallt einen Unfall verursachen? Kann Ihnen ein Mitverschulden vorgeworfen werden? Und wie sieht es aus, wenn die Versicherung die Kosten nach einem Unfall ohne Gurt übernehmen soll?
Inhaltsverzeichnis
Wenn Gurtmuffel an einem Unfall beteiligt sind
Wenn es nach einem Verkehrsunfall um die Schadensregulierung geht, ist die Schuldfrage entscheidend. Denn vor allem für die Versicherungen muss dies in Deutschland geklärt werden. In der Regel übernimmt nämlich die Haftpflichtversicherung des Unfallverursachers die Kosten, die für den Geschädigten entstehen. Die Versicherung ist für jeden Kfz-Halter verpflichtend.
Doch die Frage nach der Schuld und dem Verursacher ist häufig gar nicht so einfach zu beantworten. Besonders kompliziert wird es bei einem möglichen Mitverschulden oder einer Teilschuld.
Wenn Autofahrer an einem Unfall beteiligt und nicht angeschnallt waren, wurde in der Vergangenheit oft von einem Mitverschulden gesprochen und die Versicherungen haben sich teilweise geweigert, bestimmte Kosten zu übernehmen. Besonders schwierig wurde es in solchen Fällen, die Kosten für einen Schadensersatz oder gar Schmerzensgeld einzufordern.
Ein Mitverschulden liegt nicht immer vor
Eine Mitschuld muss aber nicht bei jedem Unfall ohne Gurt vorliegen. Seit einem Urteil durch das Oberlandesgericht München aus dem Jahr 2013 (vom 07.06.2013, Az.:10 U 19231/12) ist eine generelle Mitschuld von nicht angeschnallten Personen ausgeschlossen. Es muss in jedem Falle überprüft werden,ob die unzureichende Sicherung der eigenen Person und der Insassen zu den jeweiligen Verletzungen führen konnte.
Dabei muss ganz konkret untersucht werden, ob die Verletzungen bei einem angelegten Gurt komplett hätten verhindert oder zu mindestens abgemildert werden können.
Im konkreten Fall, den das Gericht in München behandelt hat, ging es um einen Unfall, bei dem der Kläger nicht angeschnallt war und mit einem Fahrzeug kollidiert ist, das die Vorfahrt missachtet hat. Der Kläger erlitt eine Oberschenkelfraktur, eine Knieverletzung und sein Brustbein wurde verletzt. Die Klage vor Gericht entwickelte sich aus der Tatsache, dass die Versicherung des Unfallverursachers nur 50% der Schadensersatzansprüche übernehmen wollte. Das Gericht entschied letztlich bei diesem Autounfall ohne Gurt auf ein Mitverschulden von einem Drittel seitens des Klägers.
Anspruch auf Schmerzensgeld
Waren Sie bei einem Unfall nicht angeschnallt, haben Sie dann überhaupt Anspruch auf Schmerzensgeld, auch wenn Sie der Geschädigte sind? Das Münchner Gericht verwies in seinem Urteil darauf, dass eine Mit- oder Teilschuld nur EIN Parameter zur Rechtfertigung der Schmerzensgeldhöhe ist. Andere Faktoren wie
- körperliche oder seelische Beeinträchtigungen
- Intensität der Schmerzen und
- Dauerfolgen
sind ebenso entscheidend. Dabei obliegt dem Richter die Gewichtung.
Bei einem Unfall nicht angeschnallt – Was sagt die Versicherung?
Zwar gibt es, wie gezeigt, Urteile, die eine grundsätzliche Teilschuld bei einem Unfall ohne Gurt ausschließen, aber viele Versicherungen wollen in einem solchen Fall dennoch nicht die volle Summe des Schadensersatzes übernehmen.
Vor allem wenn festgestellt wird, dass beim Anlegen des Gurtes eine Verletzung hätte verhindert werden können, ist mit einer Reduktion der Ansprüche, die bei der Versicherung geltend gemacht werden können, zu rechnen.
Wichtig! Der Vorwurf der Mitschuld gilt nur, wenn die Anschnallpflicht zum Unfallzeitpunkt galt. Die Pflicht erlischt, sobald der Fahrer eines Wagens ein Warndreieck aufstellen oder sich nach einem Unfall in Sicherheit bringen wollte. Das bedeutet nicht in jedem Falle kann die Versicherung die Zahlung verweigern, wenn Sie an einem Unfall beteiligt und nicht angeschnallt waren.
FAQ: Nicht angeschnallt beim Unfall
Für diese Menschen endet ein Unfall häufig tödlich. Bei einem Aufprall werden Insassen nach vorn geschleudert, was zu lebensgefährlichen Verletzungen am Kopf und Brust führen kann. Diese Gefahr besteht schon bei einer geringen Geschwindigkeit von 30 km/h. Die Anschnallpflicht dient also vor allem dem eigenen Schutz.
Abgesehen davon, dass nicht angeschnallte Passagiere ein Bußgeld zahlen müssen, verlieren sie unter Umständen den Versicherungsschutz.
Diese Frage lässt sich nicht eindeutig beantworten. Es kann durchaus sein, dass ein möglicher Anspruch aufgrund der Teilschuld wegen missachteter Gurtpflicht gemindert wird. Ob und wie viel Schmerzensgeld den Unfallbeteiligten zusteht, muss immer im jeweiligen Einzelfall geprüft werden.